Jüdischer Abgeordneter zu AfD: «Sie sind die größte Gefahr»
Die AfD im NRW-Landtag beantragt eine Debatte über den wachsenden Antisemitismus. Alle anderen Fraktionen werfen ihr Heuchelei vor. Ein Abgeordneter bekommt besonderen Applaus.


Düsseldorf (dpa/lnw) - CDU, SPD, Grüne und FDP im Landtag haben sich in einer von der AfD beantragten Antisemitismus-Debatte geschlossen gegen die Partei gestellt. Redner warfen der AfD in emotionalen Reden vor, sie instrumentalisiere den Kampf gegen Antisemitismus für politische Hetze und Ausländer-Hass.
Alle Abgeordneten - außer von der AfD - erhoben sich und applaudierten dem jüdischen SPD-Abgeordneten Rodion Bakum, der als letzter Redner in Richtung AfD sagte: «Kein Jude in Deutschland braucht Sie, braucht Ihre geheuchelte Solidarität. Sie sind die größte Gefahr für jüdisches Leben in Deutschland.»
Steiler Anstieg antisemitischer Vorfälle
Die AfD hatte im NRW-Landtag eine Debatte über den erneuten drastischen Anstieg antisemitischer Vorfälle im Land beantragt. Die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) NRW erfasste im vergangenen Jahr 940 Vorfälle. Das war eine Steigerung um 42 Prozent im Vergleich zu 2023. Antisemitische Vorfälle sind vor allem seit dem Überfall der terroristischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 noch einmal deutlich angestiegen.
Die AfD-Abgeordnete Enxhi Seli-Zacharias warf den anderen Parteien vor, sich radikalen Islamisten zu unterwerfen. Mit Blick auf das mutmaßlich islamistische Attentat von Solingen mit drei Toten sagte sie: «Diese Wahnvorstellungen, die sie tagtäglich ins Land importieren, bringen deutsche Bürger um.» Die Regierung sei «schlichtweg der Lage nicht mehr Herr» und habe «die Kontrolle verloren».
CDU: AfD lässt Maske fallen
Der CDU-Abgeordnete Günther Bergmann reagierte darauf betont ruhig. Die AfD habe ihre Maske fallen lassen. «Was Sie hier an Gift und Galle gerade versprüht haben, das sucht seinesgleichen.» Die AfD betreibe wieder einmal «pauschales Ausländer-Bashing». Dabei unterliege die AfD selbst einer Radikalisierung und habe etwa in ihr Wahlprogramm keinen einzigen Satz zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland geschrieben. «Sie sollten erst einmal vor der eigenen Türe kehren», sagte Bergmann unter großem Applaus.
«Wir dürfen nicht zulassen, dass gesichert Rechtsextreme gleichsam wie Wölfe im Schafspelz sich als vermeintliche Beschützer jüdischen Lebens in Deutschland darstellen, während sie gleichzeitig die Gesellschaft vergiften und die Demokratie von innen zerstören wollen», forderte auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Elisabeth Müller-Witt.
Für Witts Parteikollegin Christina Kampmann ist es «an Zynismus nicht zu überbieten», dass die AfD sich als Verteidigerin des jüdischen Lebens inszeniere. Kampmann nannte unter anderem die Äußerung des AfD-Politikers Alexander Gauland, der die Herrschaft Hitlers und der Nazis, die sechs Millionen Juden ermordet hatten, als «Vogelschiss» in der Geschichte bezeichnet hatte.
Die Grünen-Abgeordnete Julia Eisentraut widersprach dem Argument der AfD, Antisemitismus sei ein «Importproblem». Vielmehr sei Antisemitismus tief in der Gesellschaft verwurzelt. Auch der FDP-Abgeordnete Dirk Wedel merkte an, dass der AfD-Antrag Antisemitismus nur selektiv thematisiere. Die AfD blende systematisch rechtsextremen und eigenen Antisemitismus aus, obwohl der RIAS-Bericht auch 52 Fälle mit rechtspopulistischem Hintergrund registriert habe. NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) sagte: «Wir alle sind gefordert, solidarisch an der Seite jüdischer Menschen in unserem Land zu stehen.»
Debatte um AfD-Verbotsverfahren
Die Debatte im Landtag erfolgte vor dem Hintergrund der Hochstufung der AfD zur «gesichert rechtsextremistischen Bestrebung» durch das Bundesamt für Verfassungsschutz Anfang Mai. Dagegen setzte sich die Bundespartei mit einem Eilantrag zur Wehr.
Bis zu einer Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts Köln hat der Inlandsgeheimdienst die neue Einstufung auf Eis gelegt und führt die AfD daher weiter nur als sogenannten Verdachtsfall. Die Rufe nach der Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD sind inzwischen lauter geworden.