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Regionale Unterschiede bei Pflegequalität im Heim

Mehr als jeder zehnte Bewohner eines Pflegeheims in NRW bekommt Beruhigungsmittel über zu lange Zeit. In anderen Bundesländern wird weniger verordnet. Das hat die AOK bei der Analyse von Abrechnungsdaten herausgefunden.

Pflege Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild

Dortmund/Düsseldorf (dpa/lnw) - Bei der Versorgung der Bewohner in Pflegeheimen gibt es nach einer bundesweiten Auswertung deutliche regionale Qualitätsunterschiede. Im untersuchten Jahr 2021 seien problematische Dauerverordnungen von Schlaf- und Beruhigungsmitteln in Heimen in Nordrhein-Westfalen festgestellt worden, erklärte der Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) am Dienstag bei Vorstellung des Pflege-Reports 2023. In 45 der 53 Kreise und kreisfreien Städte in NRW habe es auffällige Ergebnisse gegeben.

In NRW erhalten demnach 12,8 Prozent der pflegebedürftigen Heimbewohner bedenklich viele derartige Medikamente. Im Saarland sind es sogar 14,9 Prozent. Die Bundesländer Brandenburg und Thüringen haben mit 3,5 Prozent die bundesweit niedrigste Quote.

Nach AOK-Angaben sollten Pflegebedürftige höchstens vier Wochen mit Schlaf- und Beruhigungsmitteln behandelt werden. «Denn bei Dauereinnahme drohen unter anderem Abhängigkeit, erhöhte Sturzgefahr und die Entstehung von Angstgefühlen, Depressionen und Aggressionen», sagte Antje Schwinger, die zuständige Forschungsbereichsleiterin beim Wissenschaftlichen Institut der Krankenkasse.

Auch innerhalb von Westfalen-Lippe wurden erhebliche Unterschiede bei der Dauerverordnung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln festgestellt. Die geringsten Werte wurden in Bochum mit 9,2 Prozent und Gelsenkirchen mit 10,4 Prozent ermittelt. Die höchsten Werte hätten mit 19,9 Prozent in Olpe und 18,3 Prozent in Münster vorgelegen, teilte die AOK NordWest in Dortmund mit. Die Auswertung mache deutlich, dass «ein ernsthaftes Versorgungsproblem» bestehe.

Nach Ansicht von Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, reicht eine Übersicht allein auf Kreisebene nicht. Benötigt werde ein permanentes Monitoring des Einsatzes von Psychopharmaka für jede Einrichtung in der Langzeitpflege. «Die Menschen wollen wissen, wie die Situation vor Ort aussieht», sagte Brysch. Transparenz sei die Voraussetzung für den Rückgang der ruhigstellenden Medikamente.

In den Pflege-Report flossen die Abrechnungsdaten der Krankenkasse ein. Insgesamt wurden Daten von rund 350.000 Pflegeheim-Bewohnern ab 60 Jahren untersucht. Das entspreche etwa der Hälfte aller stationär versorgten Pflegebedürftigen in Deutschland.

Regionale Unterschiede ergab die Studie auch in weiteren Bereichen, etwa bei Krankenhausaufenthalten von Demenzkranken wegen Flüssigkeitsmangels.

Laut AOK soll der Qualitätsatlas Pflege zur Verbesserung der Versorgung beitragen und sich vor allem an die Akteure vor Ort richten. «Die Ergebnisse sind teilweise ernüchternd», meinte Thomas Meertz, Bereichsleiter Pflege bei der AOK Rheinland/Hamburg in Düsseldorf. Man wolle darüber mit Vertretern aus Pflege, Ärzte- und Apothekerschaft sprechen.

© dpa-infocom, dpa:230919-99-250918/3