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Trümmer an Rhein und Ruhr: 80 Jahre Ende des Weltkriegs

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation von Nazi-Deutschland. Als die Artilleriegeschütze verstummten, bot sich an Rhein und Ruhr ein Bild unermesslicher Zerstörung.

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Zweiter Weltkrieg - Zerstörtes Köln -/dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Städte Trümmerlandschaften, die Rheinbrücken gesprengt, die Bevölkerung in Luftschutzkellern oder aufs Land geflüchtet: Am 8. Mai vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg durch die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs. Seither wird der Tag in vielen Ländern Europas als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus gefeiert. Dem Schweigen der Waffen gingen an Rhein und Ruhr dramatische Wochen voraus. 

Während linksrheinische Städte wie Köln bereits im März von den westlichen Alliierten eingenommen wurden, Aachen sogar schon im Oktober 1944, dauerte es jenseits des Rheins deutlich länger. Am 1. März erreichten die Alliierten Mönchengladbach, am 2. März Neuss, Krefeld und das linksrheinische Düsseldorf. 

In Köln wunderte sich Kriegsberichterstatter und Schriftsteller George Orwell über die Kölner, die aus Kellern und Tiefbunkern krochen: «Die Propaganda, vor allem ihre eigene, hat uns glauben gemacht, dass sie alle hochgewachsen, blond und arrogant seien. Was man in Köln jedoch tatsächlich sieht, das sind eher gedrungene, dunkelhaarige Menschen (...). Jedenfalls sind sie keineswegs besonders auffällig.»

Die Schlinge wird zugezogen

Die Alliierten konnten nur in Wesel und fast 150 Kilometer weiter südlich in Remagen den Fluss überqueren, weil dort die Brücken noch intakt waren. Dann nahmen sie aber rasch die Reste der Wehrmacht auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen in die Zange und zogen die Schlinge immer weiter zu. Am 1. April 1945 schloss sich der sogenannte Ruhrkessel bei Paderborn und Lippstadt. In ihm saßen Hunderttausende Wehrmachtssoldaten in der Falle.

Die Ruhrgebietsstadt Essen, die sich mit ihren Krupp-Fabriken 1937 Hitler und Mussolini stolz als «Waffenschmiede des Reichs» präsentiert hatte, wurde besonders heftig bombardiert und zu rund 90 Prozent zerstört. Allein am 11. März 1945 fielen fast 1.100 Bomben auf Essen. Einen Monat später wurde Essen eingenommen, am 14. April Hagen und am 16. April Wuppertal, Mettmann und Solingen. Am 17. April rollten alliierte Panzer schließlich auch durch Düsseldorf. 

Während der Volkssturm aus Jugendlichen und alten Männern sich den Alliierten entgegenstellen musste, sorgten Gestapo, SS und NSDAP-Obere zuvor noch dafür, dass viele Menschen die Befreiung nicht mehr erlebten. 

Ende Januar erging die Anweisung vom Inspekteur der Sicherheitspolizei, dem früheren Düsseldorfer Gestapo-Chef Walter Albath: Für «Sonderbehandlungen», gemeint waren Massenexekutionen, sei die Zustimmung des Reichssicherheitshauptamtes nicht mehr notwendig. «Ich ersuche nunmehr allenthalben nach dieser Weisung zu verfahren.»

Massenerschießungen

In Remscheid wurden 71 Häftlinge aus einem Gefängnis geholt, in eine Schlucht bei Solingen geführt und erschossen, berichtet der Historiker Bastian Fleermann, der die letzten Tage des Dritten Reichs an Rhein und Ruhr rekonstruiert hat. 

Zwangsarbeiter und Häftlinge des KZ Buchenwald, die in Außenlagern auch in Düsseldorf den Bombenschutt wegräumen mussten, wurden noch in den letzten Tagen willkürlich umgebracht oder auf die sogenannten Todesmärsche geschickt. Auch in Wuppertal und Dortmund führte die Gestapo noch Massenerschießungen durch, berichtet Fleermann. 

Neben Kripo, Gestapo und Wehrmacht habe vor allem die berüchtigte Heeresstreife in den letzten Kriegswochen Menschen ermordet. Einige Düsseldorfer, die auf eigene Faust über die kampflose Übergabe der Stadt mit den Alliierten verhandelten, wurden verraten und kurz vor der Befreiung der Stadt erschossen, so der Historiker. 

 «Die verantwortlichen Nationalsozialisten haben im Angesicht der militärischen Niederlage in einer Trotzreaktion den Terror - soweit das ging - noch einmal verstärkt», sagt Historiker Hans-Walter Hütter, Präsident der Stiftung Haus der Geschichte NRW. 

Frauen öffnen Sperren 

In Lintorf nördlich von Düsseldorf, das heute zu Ratingen gehört, waren es schließlich Frauen, die nachts die Panzersperren öffneten und an den Kirchtürmen weiße Fahnen hissten, berichtet Fleermann. 

Der Schriftsteller Emil Barth, der in Haan bei Düsseldorf lebte, notierte in sein Tagebuch: «Die Schicksalsstunde, die wir alle seit Monaten zwischen Bangen und Hoffen erwartet hatten, kam gestern Vormittag völlig überraschend. Das Störungsschießen hatte seit drei Stunden aufgehört...» 

Doch dann sei plötzlich das Chaos ausgebrochen, als Wehrmachtssoldaten in wilder Flucht vor den heran preschenden und schießenden Alliierten davon gerannt seien und dabei versucht hätten, sich ihrer Uniformen zu entledigen. 

«Der Kampf ist beendet»

In den Hinterhöfen und Gärten loderten kleine Feuer, in denen man Uniformen, Hitler-Bilder und Parteiabzeichen verbrannte. Am 19. April meldete das Oberkommando der Wehrmacht: Der Kampf zwischen Ruhr und Rhein ist beendet. Über 300.000 Wehrmachtssoldaten gingen in amerikanische Gefangenschaft.

Selbst Hitlers loyalste Komplizen wie Generalfeldmarschall Walter Model erkannten schließlich, dass das von den Nazis erhoffte tausendjährige Reich nach zwölf Jahren am Ende war. Zuvor hatte Model noch im Hürtgenwald für eines der letzten großen Gemetzel des Zweiten Weltkriegs gesorgt und im Ruhrgebiet reihenweise Soldaten als Deserteure erschießen lassen. 

Er wusste, dass er für seine führende Rolle beim Vernichtungskrieg im Osten von der Sowjetunion als Kriegsverbrecher gesucht wurde. Als sein Offiziersstab in Ratingen bei Düsseldorf von den Alliierten aufgespürt und gefangen genommen wurde, war Model verschwunden. Am 21. April 1945 erschoss er sich im Wald zwischen Lintorf und Duisburg.

Verheerende Zerstörung

«Städte wie Düren, Jülich und Wesel waren fast vollständig zerstört. Wir reden alle über Dresden, aber der Zerstörungsgrad dort war deutlich höher», berichtet Historiker Hütter. 

«In der Bevölkerung war die Stimmung nach dem Waffenstillstand ambivalent. Die einen empfanden das Kriegsende als Niederlage und sahen nach wie vor positive Elemente beim Hitler-Regime, auch wenn man das heute kaum nachvollziehen kann. Die anderen hofften auf Frieden und Ruhe», sagt Hütter. Danach stand in den ersten Nachkriegsjahren das nackte Überleben im Vordergrund.

© dpa-infocom, dpa:250508-930-514536/1