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Feine Sahne Fischfilet will Frieden? Kommt drauf an, mit wem

Die Band von der Ostsee entwickelt sich, ohne ihre Kanten zu verlieren. Das neue Album verspricht Punkrock mit Biss, ist zugleich Gesprächsangebot und Kampfansage. Doch an wen eigentlich?

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"Feine Sahne Fischfilet" Bernd Wüstneck/dpa

Rostock (dpa) - Feine Sahne Fischfilet um Sänger Monchi (Jan Gorkow) schwenken mit ihrem neuen Album «Wir kommen in Frieden» die weiße Fahne. Wirklich? Auf ihrer am Freitag (30. Mai) erscheinenden Platte bleibt die Band pöbelnd, provokant und auf Krawall gebürstet - teilt aber auch in ungewohnte Richtungen aus.

Genre, Songanzahl, Länge:

Deutscher Punk - die 12 Songs dauern 36:59 Minuten.

So klingt «Wir kommen in Frieden»:

Bei der für die Band charakteristische Mischung aus energiegeladenem Gute-Laune-Punkrock und gesellschaftskritischen Texten dominiert die Ambivalenz. Der Kampf gegen und die Jugenderfahrungen mit «Faschos» ziehen sich vertraut als roter Faden durch das Album, ebenso wie die scheppernde Trompete als akustisches Ausrufezeichen. Die Band mit Stadionformat singt und grölt gewohnt lautstark - nur bei «Haut an Haut» wird das Quintett aus Mecklenburg-Vorpommern plötzlich ganz leise.

Darum geht es:

In guter Tradition setzt sich Feine Sahne Fischfilet auf dem neuen Album wieder gegen Rechtsextremismus und Faschismus ein. Aber nicht nur den «Faschos» brüllt Monchi ein paar Parolen entgegen: «Zecken», der «Stasi-Opa» oder vom Kalifat träumende «Spinner» bekommen ebenfalls ihr Fett weg.

Außerdem hat Feine Sahne das Bandalter erreicht, in dem eigene Jugendsünden selbstironisch kommentiert werden: «Wir waren jung und wussten über alles Bescheid, stumpfe Parol'n konnten nicht stumpf genug sein» oder «Dachten zu kurz und gingen zu weit», heißt es in «Wir kommen in Frieden».

Persönlich und biografisch wird es auch: Von der Jugend auf dem Land in Vorpommern bis zum Vater werden - Monchi verarbeitet ein breites Spektrum an Erinnerungen seines durchaus bewegten Lebens.

Das sagt Feine Sahne Fischfilet im Interview:

Mit der Doppeldeutigkeit der Zeile «Das ist uns're letzte Warnung, wir kommen in Frieden» spielten sie gerne und bewusst, sagt Monchi. In der neuen Ambivalenz sieht er einen großen Gewinn: «Total stolz bin ich darauf, dass wir so bei uns geblieben sind, aber nicht stehen geblieben sind.»

Der Frontsänger der einst vom Verfassungsschutz beobachteten Band räumt ein: «Manchmal waren wir vielleicht auch zu schwarz-weiß.» Man wolle auch einen Schritt auf manche Gruppen zugehen.

Trotzdem wird nicht weniger gepöbelt, sagt Trompeter Max Bobzin: «Kommst du uns dumm, treten wir dir die Tür ein.» Er fügt hinzu: «Es sind halt nicht mehr die gleichen Leute, die angepöbelt werden.»

Diesen Song nicht überspringen:

Mit «Haut an Haut» gelingt Monchi ein berührender Balanceakt zwischen Intimität und Pathos. So leise und gefühlig war er vielleicht noch nie zu hören - eine Ode an sein jüngst geborenes Kind. «So ein emotionales Lied hatte ich noch nie auf einer Platte», zeigt sich der sonst kämpferische Sänger verletzlich. Kein anderes Lied des Albums habe er so schnell geschrieben.

Der Song löst sich vom gewohnten politischen Furor der Band und betritt ein für Monchi unbekanntes Terrain: «Ich war noch nie so aufgeregt, ein Lied das erste Mal live zu spielen». Schon jetzt ist klar: Auf den Konzerten wird bei diesem Lied der Menschenstrudel im Moshpit ruhen und der Frontmann die Menge mitnehmen ins Halbdunkel eines Krankenhauszimmers, wo aus Angst Zuversicht wird und aus zwei Menschen plötzlich drei.

Die größte Überraschung

Die Band will auch Brücken bauen, in den Dialog treten und «mehr die Hand ausstrecken», sagt Monchi. Das Feature mit Rapper Finch («Manchmal finde ich dich scheisse») soll da mit gutem Beispiel vorangehen. Ein gemeinsamer Song? Vor ein paar Jahren für Finch laut eigener Aussage wegen der politischen Ausrichtung der Band undenkbar.

Auch bei Feine Sahne gab es ob der Zusammenarbeit Diskussionen - sogar intern. Am Ende finden beide Seiten eine gemeinsame Grundlage. Laut Monchi in der Lieblingsfleischerei von Finch. Nicht alle sind von dem gemeinsamen Song begeistert: «Es gab massivst Morddrohungen», berichtet Frontmann Monchi.

Für wen sich das Album lohnt:

Langjährige Fans werden mit Tiraden gegen Neonazis und dem sorglos-ekstatischen Punkerleben zwischen Alkohol, Zigaretten und Kokain ihrer musikalischen Heimat treu bleiben können. Doch auch wer die differenzierteren Zwischentöne schätzt und für wen «diese Schubladen irgendwann immer viel zu klein» (Monchi) sind, wird bei dem Album auf seine Kosten kommen. Nicht zuletzt: für frischgebackene Väter und solche, die es werden wollen.

© dpa-infocom, dpa:250530-930-607897/1