Abschied eines «Kümmerers»: GdP-Chef Mertens geht in Pension
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW bekommt einen neuen Chef - der bisherige geht in Pension. Vorher wirft Michael Mertens noch mal einen kritischen Blick auf Politik und Gesellschaft.


Düsseldorf (dpa/lnw) - Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, Michael Mertens, geht im Sommer in Pension und gibt sein Amt damit ab. Vorher wirft er noch mal einen kritischen Blick auf Politik und Gesellschaft.
Mertens (61) ist seit 2018 Landeschef der GdP, am 4. Juli stellen sich laut der Gewerkschaft zwei Kandidaten für seine Nachfolge zur Wahl: Ernst Herget und Patrick Schlüter. Für Mertens als freigestellten ersten Polizeihauptkommissar - früher im Streifendienst - endet seine Zeit im Polizeidienst nach 46 Jahren am 1. August.
Mertens: AfD innerhalb Polizei nicht so stark
Der Gewerkschafter (Spitzname «Mecky») hat intern hohes Ansehen, gilt als «Kümmerer». Durch viele TV-Auftritte hat er es zu bundesweiter Bekanntheit gebracht, da er klare Kante zeigt. So sagt Mertens zum Thema AfD: «Die Wahlerfolge der AfD sehe ich mit großer Sorge. Ich persönlich glaube aber, dass sich die Zahlen so nicht auf die Mitglieder der Polizei übertragen lassen - also bei der Bundestagswahl hier nicht 20 Prozent für die AfD gestimmt haben, sondern weniger. Polizistinnen und Polizisten sollen die Mitte der Gesellschaft abbilden und haben einen Eid auf die Verfassung abgelegt.»
Mertens sieht nicht nur bei Wahlen einen Wandel in der Gesellschaft: «Als Streifenbeamter bin ich in keine einzige Schlägerei geraten. Es gab einen hohen Respekt vor der Polizei. Der ist oft leider verloren gegangen. Heute müssen unsere Kolleginnen und Kollegen sich selbst im Hochsommer voll ausstatten, zum Selbstschutz. Wir waren da noch im leichten Hemd unterwegs.»
Der Grund? «Es gibt viel Frust und Unzufriedenheit in der Gesellschaft», so Mertens: «Nicht alle fühlen sich mitgenommen. Das führt zu diesen Aggressionen. Viele sind auch nicht mehr in der Lage, Konflikte mit Sprache zu lösen - weil sie intellektuell oder emotional überfordert sind, oder Sprachbarrieren da sind.»
Plädoyer für den Taser
Als Gewerkschafter ist Mertens naturgemäß nicht mit allem einverstanden, was das Land als Arbeitgeber tut: Die sogenannte Bagatellgrenze, nach der wenige Überstunden gar nicht erst zählen, würde die GdP abschaffen. Der Nachtzuschlag liegt noch immer bei 1,28 Euro («dafür kriegen Sie nicht mal eine Kugel Eis») und dass der Taser immer noch nicht landesweit genutzt wird, ist für Mertens ohnehin ein Unding: «Da stehen die Grünen in der Koalition weiter auf der Bremse und es geht auch um die Kosten. Dabei hat der Taser sich absolut bewährt.»
Die GdP in NRW hat inzwischen die Marke von 50.000 Mitgliedern geknackt, das Land hat sich auf die Fahnen geschrieben, jedes Jahr 3000 neue Polizisten einzustellen. «Das war eine großartige Leistung der Politik», gibt der Gewerkschafter zu: «Aber jetzt müssen auch die dafür notwendigen Ausbildungskapazitäten bereitgestellt werden.»
Vor Ort im Hambacher Forst und bei der EM
Mertens war vor Ort, wenn «seine» Polizisten es waren: Hambacher Forst, Lützerath, AfD-Bundesparteitag in Essen, Fußball-EM: «Alles sehr intensive Einsätze. Zum Glück ist bei der EM nichts passiert. Dennoch glaube ich, die größten Konflikte finden in den nächsten Jahren auf der Straße statt: Wenn die Gesellschaft sich weiter spaltet, können Demonstrationen noch mehr eskalieren. Dafür brauchen wir einen starken Wachdienst und Einsatzhundertschaften.»
Nach dem 1. August wird Mertens zwar Privatmann - «im Herzen bleibe ich aber Polizist und Gewerkschafter. Das werde ich niemals ablegen.» Mehr E-Bike fahren möchte er mit seiner Frau, golfen und Fußball spielen. («so lange das mein Körper noch mitmacht»). Sonntagsabends hat er sich sonst Gedanken gemacht, was die Woche so kommt: «Jetzt werde ich auch mal nur den 'Tatort' gucken.»