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Aldi Süd sortiert Fleisch neu - Kritik folgt prompt

Aldi Süd verpasst seiner Fleischtheke ein Tierwohl-Frischzellenkur. Hinter den grün markierten Glastüren gibt es aber nicht nur Fleisch aus höheren Haltungsformen. Daran gibt es Kritik.

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ALDI SÜD stellt neues Kühlkonzept zur Haltungskennzeichnung vor Rolf Vennenbernd/dpa

Köln (dpa) - Der Lebensmitteldiscounter Aldi Süd sortiert seine Kühltheken für Frischfleisch neu. Die Produkte werden nach Unternehmensangaben nicht mehr - so wie bisher üblich - nach Tierart, sondern nach Haltungsform sortiert. Kundinnen und Kunden sollen so einfacher Produkten finden. Auch bei Milch, Wurst und Käse will der Händler künftig deutlicher auf höhere Haltungsformen aufmerksam machen. Die Umstellung in den meisten der rund 2.000 Läden in Süd- und Westdeutschland soll bis Mitte Juli abgeschlossen sein, wie ein Firmensprecher am Rande der Vorstellung des Konzepts in Köln mitteilte.

Die Haltungsform ist ein freiwilliges Kennzeichnungssystem für Fleisch und verarbeitete Produkte von Schwein, Rind und Geflügel. Es gibt fünf Stufen mit wachsenden Anforderungen an die Tierhaltung - von Stufe 1 «Stall» mit den gesetzlichen Mindestanforderungen bis Stufe 5, die «Bio» entspricht. 

Die Kühlung ist künftig in drei Farbsegmente unterteilt: Ein blauer Bereich steht für Fleisch aus klassisch konventioneller Tierhaltung (Haltungsform 1 und 2), ein grüner Bereich für Ware aus höheren Haltungsformen (3, 4 und 5). Aktuelle Angebote finden Kundinnen und Kunden in einem roten Bereich. Dies soll dem Discounter zufolge die Orientierung für Kundinnen und Kunden erleichtern.

Konventionelles Hack im grünen Bereich 

Ganz so einfach ist es auf den zweiten Blick aber nicht: Auch Hackfleisch aller Haltungsformen wird künftig im grünen Bereich der neuen Kühlung zu finden sein. Produkte der Haltungsformen 1 und 2 seien im grünen Bereich aber klar gekennzeichnet und optisch abgesetzt, teile ein Sprecher mit. Da Hackfleisch stärker gekühlt werden müsse, erfolge die Platzierung aller dieser Produkte – unabhängig von der Haltungsform – gebündelt an einem Ort. Da der Großteil des Hackfleischsortiments aus höheren Haltungsformen stamme, werde dieser Bereich insgesamt im grünen Segment der Kühlung geführt, hieß es. 

Verbraucherschützer warnen vor Missverständnissen

Die Neuanordnung ruft deswegen auch deutliche Kritik hervor: «Ein neues Kühlkonzept bezogen auf die Haltungsformen sollte verbraucherfreundlich und transparent sein», teilte die Lebensmittelexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Heike Silber, mit. Das bedeute, dass zum Beispiel «die farbliche Abstimmung der Türen mit den entsprechenden Haltungsformen der enthaltenen Produkte übereinstimmt, was hier – soweit das den Informationen von Aldi zu entnehmen ist – nicht der Fall sein wird». 

Insbesondere der Umstand, dass sich hinter den grün gekennzeichneten Türen auch Hackfleischprodukte aus den Haltungsformen 1 und 2 befinden, könne bei Kundinnen und Kunden zu Verwirrung führen. Silber zufolge steht aber noch nicht fest, ob die Verbraucherschützer rechtlich gegen das neue Kühlkonzept vorgehen werden: «Das können wir erst entscheiden, wenn wir das neue Kühlkonzept in einer Aldi-Filiale betrachten können».

Die Albert-Schweitzer-Stiftung begrüßte grundsätzlich, dass Aldi Süd neue Wege geht, um Produkte aus höheren Haltungsformen besser sichtbar zu machen. «Eine klare und gut gekennzeichnete Platzierung kann Verbrauchern helfen, bewusstere Entscheidungen zu treffen – vorausgesetzt, sie verstehen die Haltungsformkennzeichnung und vertrauen ihr», teilte die Stiftung mit, die sich für mehr Tierschutz einsetzt. Ob sich die neue Sortierung tatsächlich positiv auf das Kaufverhalten und damit auf das Tierwohl auswirken werde, bleibe abzuwarten. «Entscheidend ist aber nach wie vor, dass die niedrigsten Haltungsformen 1 und 2 mittelfristig komplett aus dem Regal verschwinden.» 

Wettbewerber setzen auf Bewährtes

Die Branche reagiert gemischt auf das neue Kühlkonzept von Aldi Süd: Lidl und Kaufland halten an der klassischen Sortierung nach Tierarten fest. So wolle man den Kunden die bestmögliche Orientierung bieten. Bei Lidl seien Bio-Produkte direkt neben den konventionellen Pendants zu finden. Die Unternehmen - beide Teil der Schwarz-Gruppe - verweisen außerdem auf eigene Initiativen für mehr Tierwohl. Auch die Schwesterfirma Aldi Nord lässt die Finger von dem Konzept: Ein Unternehmenssprecher teilte mit, dass man Frischfleischartikel weiterhin nach Tierarten anordnen werde. Über die Haltungsform wird am Produkt und mit zusätzlichen Hinweisen an den Kühlgeräten informiert.

Offener zeigen sich Edeka und Netto. Der Ansatz, den Kundinnen und Kunden mehr Orientierung in Bezug auf die Haltungsform zu bieten, sei interessant und werde geprüft, teilte ein Sprecher des Edeka-Verbunds mit. Eine Sprecherin der Rewe-Gruppe - dazu gehört neben dem gleichnamigen Supermarkt auch der Discounter Penny - wollte sich nicht zu der Entwicklung äußern.

Branche: Weniger Fleisch aus unterster Haltungsform

Die großen Ketten wollen früheren Angaben zufolge bis Ende des Jahrzehnts das gesamte Frischfleischangebot der Eigenmarken in Deutschland auf die höheren Haltungsformstufen 3 und 4 umstellen. Voraussetzung ist demnach eine ausreichende Warenverfügbarkeit. 

Bei Fleisch im Supermarkt gab es zuletzt Bewegung zu Produkten mit besseren Tierhaltungsbedingungen. Bei Schweinefleisch aus dem SB-Regal kamen nach jüngsten Daten für 2023 noch 1,5 Prozent aus der untersten Stufe 1. Von Puten und Hähnchen gab es im Kühlregal der Trägergesellschaft zufolge kein Fleisch aus der untersten Haltungsform mehr. Bei Rindfleisch stammen aber noch mehr als drei Viertel aus Stufe 1. Der Anteil sank von 77 Prozent im Jahr 2022 auf 75,6 Prozent. Die Daten beziehen sich auf Frischfleisch und Zubereitungen wie Hackfleisch der Eigenmarken, die einen Großteil des Angebots ausmachen.

© dpa-infocom, dpa:250521-930-573477/3