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Vierfachmord: Anklage sieht kein rechtsextremes Motiv

Nach dem Brandanschlag auf ein von Migranten bewohntes Haus in Solingen wird weiter über das Motiv gestritten. War der geständige Täter rechtsradikal? Die Staatsanwaltschaft hat Zweifel.

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Prozess um Vierfachmord Marc Herwig/dpa

Wuppertal (dpa/lnw) - Im Prozess um den Tod einer vierköpfigen bulgarischen Familie in Solingen glaubt die Staatsanwaltschaft Wuppertal weiterhin nicht an ein rechtsextremes Motiv des geständigen Täters. «Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse kann weder aus der Tat noch aus der Person des Angeklagten der Schluss auf ein rechtsextremes Motiv des Angeklagten gezogen werden», schreibt der Leitende Oberstaatsanwalt in einer Stellungnahme für die Sitzung des Innenausschusses an diesem Donnerstag. Die Stellungnahme liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Derzeit würden noch einmal die Internetaktivitäten des 40-jährigen Angeklagten während der vergangenen zehn Jahre ausgewertet. Auch dabei hätten sich bislang keine Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung ergeben, schrieb die Staatsanwaltschaft.

Prozess zieht sich in die Länge

Vertreter der Nebenklage werfen den Ermittlern seit Wochen vor, Hinweise auf einen möglichen rassistischen Hintergrund des Brandanschlags bewusst verschwiegen zu haben.

Der Prozess zieht sich deshalb weiter in die Länge. Der Vorsitzende Richter habe elf weitere Verhandlungstermine bis Ende Juli terminiert, teilte das Gericht mit. Eigentlich sollte das Urteil in dem Fall schon längst gesprochen sein.

Ein Geständnis - aber noch kein Motiv

Der 40-jährige Deutsche hat bereits gestanden, im März 2024 ein Feuer in dem Mehrfamilienhaus gelegt zu haben, das fast ausschließlich von Menschen mit Migrationshintergrund bewohnt wurde. Dabei starb die aus Bulgarien stammende junge Familie, die im Dachgeschoss lebte. Die Flammen breiteten sich sehr schnell aus - die 28 und 29 Jahre alten Eltern und ihre beiden Töchter im Alter von drei Jahren sowie wenigen Monaten hatten keine Chance.

Der Wuppertaler Polizeipräsident hatte nach dem Brand ausdrücklich gesagt, es gebe keine Anhaltspunkte für eine rechtsradikale Tat.

Nazi-Literatur im Haus des Täters

Im Laufe des Prozesses war bekannt geworden, dass es im Wohnhaus des Angeklagten Bücher aus der Zeit des Nationalsozialismus gab und ein rassistisches Gedicht an der Wand hing. Auf einer Festplatte tauchten 166 Dateien mit rechtsextremem Inhalt auf. 

Die Wuppertaler Staatsanwaltschaft betont allerdings in ihrer Stellungnahme, dass man bis heute nicht davon ausgehen könne, dass diese Fundstücke dem angeklagten 40-Jährigen zuzuordnen seien.

Ein weiterer Kritikpunkt der Nebenklage: Die Polizei hatte den Brandanschlag in einem internen Papier zunächst als politisch rechts motiviert eingestuft. Diese Einstufung sei im Nachhinein aber handschriftlich abgeändert worden und dadurch nicht Bestandteil der Gerichts-Akte geworden, kritisieren die Anwälte der Opfer.

Bearbeiterin war «nur oberflächlich informiert»

Dazu zitiert der Bericht an den Landtags-Innenausschuss eine Stellungnahme des Polizeipräsidiums Wuppertal: Das Papier sei zunächst von einer Beschäftigten verfasst worden, «die nur oberflächlich über den Sachverhalt informiert» gewesen sei und ihre Einschätzung auf Grundlage einer «unzutreffenden Annahme» verfasst habe. Dieser Fehler sei anschließend in der Staatsschutzdienststelle handschriftlich korrigiert worden.

Die Anwälte der Nebenkläger in dem Verfahren hatten die Arbeit der Ermittlungsbehörden zuletzt in einer gemeinsamen Stellungnahme als «Skandal» bezeichnet. Nebenklage-Vertreterin Seda Başay-Yildiz äußerte den Verdacht, dass genau jenes Beweismaterial zurückgehalten worden sei, das auf eine rechtsradikale Gesinnung und ein entsprechendes Motiv des Angeklagten deuten könne.

© dpa-infocom, dpa:250514-930-541255/2